Rückenschmerzen in unserer Gesellschaft
Rückenschmerzen sind in Deutschland ein sehr häufiges Problem. Es gibt wohl kaum einen Erwachsenen, der nicht, zumindest gelegentlich im Laufe seines Lebens, unter Schmerzen im Rücken leidet. Leider nimmt auch die Zahl der Kinder, die Rückenschmerzen haben, immer mehr zu.
Rückenschmerzen sind der häufigste Grund für die Inanspruchnahme unseres Gesundheitssystems.
Die meisten Betroffenen leiden unter Schmerzen im unteren Rücken (Lendenwirbelsäule), aber Nackenschmerzen (Halswirbelsäule) sind auch recht häufig. In beiden Fällen sind Frauen etwas häufiger betroffen als Männer.
Dies bedeutet für die Betroffenen größtenteils einen deutlichen Einschnitt in deren Leistungsfähigkeit und Lebensqualität.
Unterteilung von Rückenschmerzen
Die erste Einteilung von Rückenbeschwerden ist die in spezifisch und unspezifisch.
Spezifische Rückenschmerzen sind die Beschwerden, die eine klare medizinische Ursache haben, wie zum Beispiel eine Fraktur eines Lendenwirbels oder eine Knochenmetastase.
Unspezifische Rückenschmerzen haben keine klare Ursache. Es wird vermutet, dass solche Beschwerden psychologische, soziale und/oder biophysikalische Gründe haben.
Unspezifische Rückenschmerzen kommen deutlich häufiger vor als spezifische und sind zum Glück harmlos. Was nicht heißt, dass die Betroffenen nicht unter den Folgen der Schmerzen leiden.
Die Hauptaufgabe eines Arztes ist es, bei der Erstvorstellung eines Patienten mit Rückenschmerzen, herauszufinden, ob die Schmerzen einen spezifischen Grund haben, um möglichst schnell die passende Therapie zu beginnen.
2 Studien über Rückenschmerzen in Deutschland.
Auch für mich als Osteopath ist es wichtig innerhalb meines Anamnesegesprächs Anzeichen zu finden, die auf einen malignen (böshaften) Prozess hindeuten, um dann den Patienten zur Absprache zum Arzt:in zu schicken.
Bildgebende Verfahren bei Rückenschmerzen
Um zwischen spezifischen und unspezifischen Rückenschmerzen zu differenzieren, werden, vor allem in Deutschland, gerne bildgebende Verfahren wie Röntgen oder MRT (Magnetresonanztomografie) angewendet.
Damit können zum Glück häufig schwerwiegende, spezifische Ursachen entdeckt werden, aber leider haben diese Bilder bei einem Großteil der unspezifischen Rückenschmerzen wenig Aussagekraft.
Zum Beispiel gibt es einige Studien, die besagen, dass viele Menschen einen Bandscheibenvorfall oder auch Arthrose haben, aber keinerlei Beschwerden haben. Auf der anderen Seite sehe ich jeden Tag Menschen, die Schmerzen haben, aber keine Auffälligkeiten bei bildgebenden Verfahren aufweisen.
Zusätzlich können Befunde aus einem MRT den Patienten eher verunsichern und die Schmerzen verstärken, dies nennt man den Nocebo-Effekt. Außerdem ist ein MRT mit erheblichen Kosten für unser Gesundheitssystem verbunden.
Deswegen sollte nur bei dringendem Verdacht auf ein bösartiges Geschehen ein bildgebendes Verfahren eingeleitet werden, aber diese Entscheidung sollte immer Ihr Arzt : Ihre Ärztin treffen.
Hierzu ein Artikel:
Osteopathie bei Rückenschmerzen
Obwohl Osteopathie bei einer Vielzahl von Beschwerden helfen kann, kommen die meisten Patienten mit Rückenschmerzen in meine Osteopathie-Praxis in Hamburg.
Wie oben schon erwähnt ist es für mich erstmal wichtig herauszufinden, ob ich den Patienten überhaupt mit Osteopathie behandeln darf.
Wenn dies geklärt ist, befasst sich die Osteopathie damit, die Ursache für die Schmerzen herauszufinden. Dies ist meistens eine komplexe Angelegenheit, auch wenn die Osteopathie versucht den Menschen in seiner Gesamtheit zu erfassen, ist es wichtig, dass einige Probleme nur in Zusammenarbeit mit anderen Fachrichtungen (Physiotherapie, Psychotherapie, Ernährungsberatung etc.) zu beheben sind.
Das andere Problem mit der Ursachenforschung ist, dass die häufigste Ursache für Rückenschmerzen sehr einfach herauszufinden ist:
Unser heutiger Alltag fordert kaum Bewegung.
Unsere Körper hat sich im Laufe der Evolution an viel Bewegung und Belastung gewöhnt. Unsere Wirbelsäule richtete sich auf, damit wir die Welt um uns herum besser wahrnehmen können und unsere Hände als Werkzeug nutzen können. Unser ganzer Körper ist auf den aufrechten Stand und Laufen ausgelegt.
Dies ging auch tausende Jahre gut, bis zur Industrialisierung und spätestens mit dem aktuellen digitalen Zeitalter. Nun werden die meisten Menschen im Alltag kaum noch körperlich gefordert und wir verbringen den Großteil des Tages im Sitzen, was unserer Haltung nicht hilft.
Besonders die Muskeln, die unseren Körper bzw. Extremitäten beugen, neigen zu Verspannungen.
Die Muskeln, die uns Aufrichten neigen, zum Abschwächen.
Mögliche Ursachen für Rückenschmerzen
Ein Muskel, der häufig Probleme verursacht, ist unser Haupthüftbeuger (M.psoas major), dieser kommt von der Wirbelsäule und zieht in unseren Oberschenkel.
Der Psoas kann vielfältige Probleme verursachen, unter anderem zieht er die Lendenwirbelsäue nach vorne, was in einem Hohlkreuz resultiert. Das Hohlkreuz belastet mechanisch die Strukturen im unteren Rücken, was zu Blockaden, Entzündungen und : oder Schmerzen führen kann.
Die Muskelgruppe, die gegen diese Fehlhaltung in der Wirbelsäule arbeitet, sind die Bauchmuskeln. Wie oben erwähnt stehen wir sehr wenig im Alltag, aber auch durch eine Schwangerschaft, sind diese Muskelgruppen häufig sehr schwach.
Rückenmuskulatur als Stabilisator
Ein anderes Problem, welches meiner Ansicht nach häufig Rückenschmerzen verursacht, ist das mangelnde Zusammenspiel zwischen unserer Stützmotorik und unserer Zielmotorik.
Die Zielmotorik veranlasst zielgerichtete Bewegungen, um zum Beispiel einen Gegenstand zu bewegen.
Die Stützmotorik wird hauptsächlich von unserer tiefen Rückenmuskulatur gewährleistet und wird auch als die "Antischwerkraftmuskulatur" bezeichnet und stabilisiert unseren Rücken.
Dieses Prinzip wird durch Sport miteinander funktionell verschaltet bzw. gelernt, aber auch durch das viele Sitzen im Büro wieder verlernt.
Ziele einer osteopathischen Behandlung
Mit einer rein passiven Behandlungsmethode wie Osteopathie, manueller Therapie oder auch Medikamenten kann leider keine langfristige Heilung in den meisten Fällen erwartet werden. Nur in Kombination mit aktiven Maßnahmen ( Sport, spezielle Übungen) kann der Rückenschmerz langfristig verbessert werden.
Mein Ziel als Osteopath ist es, dem Betroffenen mit seinen Schmerzen eine Linderung zu verschaffen, aber auch gleichzeitig einige Tipps zu geben, wie die richtige Muskulatur gekräftigt und funktionell angebahnt wird.
Bewegungseinschränkungen in einem Bereich der Wirbelsäule können wiederum andere Bereiche der Wirbelsäule dazu zwingen, über beweglich (hypermobil) und damit instabil zu werden. Durch Lösen von Blockaden innerhalb einer Behandlung werden die Bewegungen in der Wirbelsäule wieder harmonischer und damit auch wieder stabiler bzw. Übungen für die Stabilisation sind effektiver.
Die Kraftentwicklung eines Muskels entsteht durch das Zusammenziehen der Fasern. Dies funktioniert nur optimal, wenn die Entfernung der beiden Muskelansätze einen bestimmten Abstand hat. Durch oben erwähnte Fehlhaltung werden bestimmte Muskeln auseinander gezogen und können so nicht mehr optimal Kraft entwickeln.
Organe können über die Faszien mechanische Züge auf die Wirbelsäule ausüben und dort oben genannte Probleme auslösen. Insbesondere wird vermutet, dass Organe mit glatter Muskulatur besonders Rückenschmerzen auslösen können. Außerdem sind Organe neurologisch mit dem Rücken verschaltet und können so an den sogenannten Head-Zonen einen Schmerz oder Verspannungen auslösen. Es muss noch erwähnt werden, dass für die Methode viszerale Osteopathie ein wissenschaftlicher Nachweis für deren Wirksamkeit fehlt, aber meine Erfahrungen habe gezeigt, dass häufig ein Zusammenhang zwischen Rückenschmerzen und festen Organen besteht und eine Behandlung helfen kann.
https://de.wikipedia.org/wiki/Dermatom_(Anatomie)#Headsche_Zone
Die Statik hat wahrscheinlich einen großen Einfluss auf die Spannung von Muskeln und damit auf Rückenschmerzen. So kann eine Fußfehlstellung (z.B. Plattfuß), die komplette Statik eines Beines und damit des gesamten Körpers verändern und auch eine Skoliose begünstigen. Die Wirbelsäule ist geschwungen aufgebaut, je nach Ausprägung dieser Schwingungen können Verspannungen und andere Beschwerden begünstigt werden. Eine stark ausgeprägte Schwingung in der Brustwirbelsäule (BWS), löst eine starke Schwingung in der Halswirbelsäule (HWS) aus und kann so die Beweglichkeit beeinflussen und insbesondere in den Übergängen zwischen BWS und HWS einen Bandscheibenvorfall begünstigen.
Vorgehensweise der Osteopathie.
Was macht denn der Osteopath : die Osteopathin nun genau, um oben genannte Probleme zu behandeln?
Es gibt eine Vielzahl von Herangehensweisen, die auch nicht exklusiv in der Osteopathie angewendet werden.
1. Manuelle Therapie : Chiropraktik:
Beide Methoden versuchen, Beschwerden zu verbessern, indem die Beweglichkeit der Gelenke mit Zügen auf die Gelenkkapsel verbessert wird. In der Manuellen Therapie wird ein gleichmäßiger, länger anhaltender Zug ausgeübt, bei der Chiropraktik ein schneller Impuls. Dieser schnelle Impuls kann auch ein knackendes Geräusch verursachen, welches aber nichts damit zu tun hat, dass das Gelenk sich verschiebt. Dieses Geräusch ist ein Gasaustausch und nichts anderes, als wenn Sie mit den Händen knacken.
2. Sutherland-Techniken (Balanced ligamentous tension):
Diese Behandlung geht ein unbewegliches Gelenk etwas anders an und könnte wahrscheinlich als eine reine Osteopathie Methode betitelt werden. Hier wird das Gelenk nicht einfach auseinander gezogen, sondern der Osteopath : die Osteopathin fühlt, wohin die Spannung des Gewebes möchte und folgt dieser Spannung. Wenn der Punkt erreicht wird, entspannt sich das Gelenk bzw. die Struktur um das Gewebe. Dies ist eine sehr sanfte Methode und ist eine gute Alternative zu oben genannter Methode, vor allem bei Kindern und Angstpatienten.
3.FDM (Faszien-Distorsionsmodell):
Das Besondere bei dieser Behandlungsform ist weniger die Behandlung, als die Untersuchung. Hier wird auf die Körpersprache des Patienten geachtet, je nachdem wie der Schmerz unterbewusst angezeigt wird, richten die Osteopathen die Therapie aus. Diese beinhaltet meistens druckvolles Ausstreichen der Faszien.
4. Counterstrain-Techniken:
Diese Form der Behandlung hat Ähnlichkeiten zu den Sutherland-Techniken, beziehen sich aber eher auf die Muskulatur. Hier wird mit den Händen schmerzhafte Punkte in den Muskeln gesucht, dann über Gelenkeinstellungen eine möglichst schmerzfreie Position eingestellt und für eine Zeit erhalten, bis sich die Beschwerden bessern.
Mit dieser Aufzählung wollte ich Ihnen einen kleinen Einblick geben, wie Osteopathen bei Rückenschmerzen vorgehen und denken und ist bei weitem nicht vollständig.
Es fehlen insbesondere die viszerale Osteopathie und kranio-sakrale Osteopathie, die ich in einem anderen Artikel etwas näher erkläre. Osteopathie: Was ist das?
Grenzen der Osteopathie
Die Osteopathie versucht zwar den Menschen, als Ganzes zu sehen, ist aber wie jede Heilmethode auch eingeschränkt. So kann dauerhafter Stress und : oder schlechte Ernährung auch Rückenschmerzen verursachen. Deswegen ist, meiner Meinung nach, eine bessere Zusammenarbeit zwischen den verschieden medizinischen Berufsgruppen (Ärzte, Osteopathen, Psychotherapeuten, Ernährungsberater usw.) sehr wichtig.
Stress als Auslöser von Rückenschmerzen
Stress ist für sich kein negativer Zustand, Stress soll uns in einer Gefahrensituation körperlich und auch geistig leistungsfähiger machen. Zum Beispiel wird in einer Stresssituation unsere Muskulatur besser durchblutet, der Tonus erhöht und auch Schmerzen werden temporär unterdrückt. Dies bereitet uns auf eine Belastung vor.
Wichtig ist aber, nach einer Stresssituation, muss eine Erholungsphase kommen. Aber hier liegt das Problem, in der modernen Welt jagt eine Stressphase die nächste und selbst im Urlaub, denken viele Leute über die Arbeit oder andere Probleme nach. Dieser Dauerzustand verursacht viele Erkrankungen und Beschwerden, unter anderem Rückenschmerzen.
Diese Schmerzen verursachen wiederum Stress, welcher zu mehr Schmerzen führt. Ein Teufelskreis entsteht.
Diesen Teufelskreis zu durchbrechen ist sehr schwierig und benötigt häufig einen multimodalen Ansatz, damit die Schmerzen nicht chronisch werden. So können dir richtigen Medikamente, Psychotherapie, Physiotherapie, Osteopathie und in seltenen Fällen auch eine Operation helfen, die Rückenschmerzen zu verbessern.
Das andere Problem mit Stress in Bezug auf Rückenschmerzen ist, dass Stress uns auf körperliche Belastung vorbereiten möchte. Zum Beispiel eine Flucht vor einem gefährlichen Tier.
Wenn wir aber im Büro sitzen, ist Flucht selten eine Option und unsere Muskeln verspannen, weil die Bewegungsenergie nicht abgebaut wird.
Auch deshalb ist regelmäßiger Sport ein so wichtiges Mittel, um Erkrankungen unseres Körpers zu minimieren.
Was mir zum Thema Sport immer wichtig ist, dass es keine große Rolle spielt, welche Sportart Sie ausüben, wichtiger ist es, dass der Sport Ihnen Spaß macht, dann führen Sie den Sport auch regelmäßiger durch.
Was mich zum zweiten Tipp führt, nämlich, dass es aus vielen Gründen besser ist, sich mehrmals in der Woche ein wenig zu bewegen, als einmal die Woche sehr viel.
Sport sollte für sich nicht noch ein zusätzlicher Stressor in Ihrem Leben sein, nur dann kann Bewegung auch eine Therapie darstellen.
Rückenschmerzen und Ernährung
Ernährung ist ein Thema für sich, welches ich in diesem Zusammenhang nicht allzu vertiefen möchte. Es deuten aber viele Hinweise hin, dass unser Essen Beschwerden und teilweise Erkrankungen verursachen kann.
Insbesondere unsere Darmflora hat einen großen Einfluss auf unser Immunsystem und damit auf Entzündungen, welche viele Beschwerden in unserem Körper auslösen können.
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4424767/
Die Darmflora kann zum Teil über Ernährung beeinflusst werden. Vornehmlich Zucker, Alkohol und gesättigte Fettsäuren habe einen negativen Einfluss auf unsere Darmflora und damit auf manche Entzündungen, die häufig die Auswirkungen von einem Bandscheibenvorfall verstärken und außerdem ein häufiger Grund für Schmerzen im Schulterbereich sind.
Zusammenfassung
Ich hoffe, ich konnte Ihnen einen kurzen Überblick über die verschiedenen Arten von Rückenschmerzen und deren möglichen Ursachen geben. Osteopathie ist eine Maßnahme, um eventuell Beschwerden zu verbessern.
Sowohl der Therapeut als auch der Patient sollte Schmerz immer ernst nehmen und es sollte immer ausgeschlossen werden, dass nicht doch eine ernsthafte Erkrankung für die Beschwerden verantwortlich ist.