Dehnen, ist das sinnvoll?
Es gibt kaum ein anderes Thema, welches mich und wahrscheinlich auch andere Therapeuten so lange Zeit beschäftigt.
Fast täglich fragen mich Patienten in meine Praxis Osteopathie Hamburg, ob Dehnen Sinn ergibt oder nicht, wann und wie man sich dehnen soll usw.
Zu dem Thema Dehnen möchte ich Sie hier in Form dieses Blogs informieren.
Die verschiedenen Arten, sich zu dehnen.
Grob eingeteilt gibt es zwei verschiedene Arten sich zu Dehnen.
Statisches Dehnen
Dies ist wohl die bekannteste Möglichkeit, sich zu dehnen. Hier wird ein Muskel oder verschiedene Muskeln an ihr Ende der Beweglichkeit gebracht, dann wird diese Position für eine gewisse Zeit gehalten. Sobald die anfänglichen Schmerzen nachlassen, wird die Dehnung verstärkt.
Dynamisches Dehnen
Beim dynamischen Dehnen wird versucht, die Gelenkigkeit zu verbessert, indem man eine Abfolge von Bewegungen durchführt, die an das Ende der Dehnfähigkeit der Muskulatur führen. Diese Belastung wird dann nicht lange gehalten. Teils kann auch an der Endposition eine wippende Bewegung durchgeführt werden. Beispiel hierfür ist Yoga, aber auch Krafttraining.
Zu beiden Dehnmethoden könnte man auch noch aktives bzw. passives Dehnen hinzunehmen.
Beim aktiven Dehnen wird der zu dehnende Muskel aktiv in die Dehnung gebracht. Beispiel dafür ist es, im Liegen das Bein aktiv aus der Hüfte zu heben, um die Rückseite des Oberschenkels zu dehnen.
Passives Dehnen bedeutet, das zu dehnende Bein mithilfe eines Seils anzuheben und so die Rückseite zu dehnen.
Was passiert bei einer Dehnung?
Unsere Muskeln bzw. die Muskelfasern bestehen aus Sarkomeren, dies sind Proteine, die in einer Längsrichtung ausgerichtet sind.
Indem sich diese Sarkomere zusammenziehen, entsteht eine Kontraktion.
Bei einer Dehnung werden diese Sarkomere auseinander gezogen. Ob diese Dehnung die Muskelstruktur langfristig verändert, ist fraglich. Viele erklären sich die Verbesserung nach einem Beweglichkeitstraining mit einer höheren Toleranz gegenüber dem Schmerz.
Viel hilft nicht viel
Wichtig ist bei diesem Prozess zu wissen, dass in unseren Muskeln sogenannte Muskelspindeln liegen. Dies sind Sensoren, die die Länge unserer Muskeln messen.
Werden diese Muskelspindeln zu stark gedehnt, sorgen sie für ein Zusammenziehen der Muskelfasern, um Verletzungen zu vermeiden.
Daher sollten Dehnübungen nicht mit einer zu starken Intensität durchgeführt werden, da oben genannter Vorgang eher Muskelverkürzungen fördert.
Aber wahrscheinlich verändert ein regelmäßig durchgeführtes Dehnprogramm auch die Dehnfähigkeit unserer Muskeln.
Zudem sollte man beim Thema Stretching nicht nur an Muskeln und Sehnen denken, sondern auch an unsere Faszien.
Diese sind in bestimmte Richtungen ausgerichtet. Die Richtung wird über die tägliche Belastung bestimmt.
Da wir häufig die meiste Zeit Sitzen und langanhaltenden Stress haben, sind unsere Faszien falsch ausgerichtet oder wie der Faszienforscher Robert Schleip sagt „verfilzt“, was wiederum in Verdacht steht, Schmerzen in unserem Körper auszulösen.
Auch hier kann das Dehnen die Ausrichtung wahrscheinlich verbessern und so zu einer besseren Leistungsfähigkeit führen.
Falls Sie etwas mehr über das Thema Faszien lesen möchten, kann ich Ihnen auch meinen Artikel über Faszien empfehlen.
Wie und wann sollte ich mich dehnen?
Dies kommt immer sehr auf die Sportart an. Ich führe nun ein paar Punkte auf, die Sie in Ihrem Programm im Hinterkopf behalten sollten.
Es wurde relativ klar in Studien aus der Sportwissenschaft gezeigt, dass ein intensives statisches Stretching vor einer Sportart, die Schnellkraft benötigt (Sprint, Kraftsport), die Leistung eher reduziert.
Im Rahmen von Turnen oder anderen Sportarten, die viel Beweglichkeit benötigen, kann ein auf die Bewegungen angepasstes Dehnprogramm über mehrere Muskelgruppen vor dem Sport Verletzungsrisiko reduzieren.
3. Unsere Faszien scheinen eher auf wippende Dehnung positiv zu reagieren. Dies aber mit Vorsicht in das Beweglichkeitstraining einführen.
4. Es immer wichtig, die Muskulatur nicht im kalten Zustand, zu dehnen. Absolvieren Sie bitte immer erst ein Warm up, bevor Sie sich dehnen.
5. Dehnen im Anschluss eines Trainings verhindert leider keinen Muskelkater. Im Gegenteil, da ein intensives oder ungewohntes Training sehr kleine Verletzungen in unseren Muskeln verursacht, ist Dehnen eher kontraproduktiv, um einen Muskelkater zu verhindern.
6. Beim statischen Dehnen ist es wichtig, die Dehnung über einen Zeitraum von mindestens 30 Sekunden zu halten. Außerdem sollten während des Dehnens keine starken Schmerzen entstehen. Die Muskelenden sollten aber soweit auseinander gezogen werden, bis eine Spannung gespürt wird.
Soll ich es wirklich tun oder lasse ich es lieber sein?
Jein, in meinen Augen ist es wichtiger Muskulatur zu stärken.
Häufig liegt der Grund von Einschränkungen der Beweglichkeit darin, dass unser Körper instabile Gelenke schützen möchte, indem er die Muskeln verspannt.
Bei einer besseren Stabilität lässt unsere Körper auch mehr Beweglichkeit zu.
Zudem sollte während des Workout die Muskulatur an ihre Grenze der Beweglichkeit gebracht werden. So kann das Training Dehnübungen ersetzten.
Aber für Sportler und Sportlerinnen, die auf Mobilität angewiesen sind ein Stretching notwendig.
Wichtig ist zudem noch, dass es viele Menschen gibt, die sich nach Dehnübungen wohler fühlen.
Fazit
Nur Leute, deren Sportarten viel Mobilität erfordern, müssen sich dehnen.
Ich persönlich halte es nicht für wichtig, sich auf das Dehnen zu konzentrieren.
Aber es wird wahrscheinlich Sinn ergeben, sich zwischen der Arbeit hin und wieder von Kopf bis Fuß zu strecken.
Nicht umsonst streckt sich unser Hund auch jedes Mal, nachdem er aufsteht.